Stefan Krempl
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Am
13. Mai 2001 wählten die Italiener den rechtslastigen Multimilliardär
Silvio Berlusconi zum Ministerpräsidenten -- zum zweiten Mal.
1994 hatte sich der Medienmogul und Unternehmer schon
einmal auf den "Thron" hieven können. Doch damals konnte
sich Berlusconi nicht einmal ein Jahr lang an der Regierungsspitze
halten und wurde regelrecht aus dem Amt gejagt. Doch
die Bürger
sind vergesslich.
Am Tag nach der Wiederwahl hatte sich die internationale Presse mit ihrer Kritiknoch zurückgehalten: "Berlusconi gewinnt Wahl", titelte die "Frankfurter Rundschau", "Italiens Wahlsieger heisst Berlusconi" lautete die Variante der "Süddeutschen Zeitung". Auch die "Frankfurter Allgemeine", das "Handelsblatt", der "Tagesspiegel" und die "Welt" beließen es bei nüchternen Überschriften. Allein die "taz" verfiel schon damals in den klassischen Alarmismus: "Europas Rechte hat einen neuen Führer" warnte die Headline auf Seite Eins. Darunter war ein Foto zu sehen, das Berlusconi in der Pose des "Führers" zeigt: Lächelnd steht er am Rednerpult, den rechten Arm scheinbar zum Hitlergruss erhoben, im Hintergrund das Emblem seiner Partei "Forza Italia" (vgl. Pressebrief der "Zeit" vom 15. Mai 2001). "Wo wäre es denkbar, dass ein Regierungschef gewählt wird, gegen den Ermittlungsverfahren wegen Bestechung, Bilanzfälschung und Geldwäsche anhängig sind?" fragte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur des "Tagesspiegel", dann schon etwas pointierter in seinem Titelkommentar am 15. Mai 2001. "Wer hätte die Stirn, sich als Retter Italiens zu verkaufen, der die Sicherheit seiner Familie einige Jahre einem Mafiosi anvertraute?" So etwas gebe es eben nur in Italien, so di Lorenzo, und das zeige den katastrophalen Zustand der politischen Kultur in Italien an. Einen Hintergrundbericht über die Folgen der erneuten Wahl Berlusconis zum Ministerpräsidenten bringt der "Spiegel" in Ausgabe 21/2001. Der Artikel weist vor allem auf die Verstrickungen des Medienmoguls hin. Silvio Berlusconi, Herr über ein 50-Milliarden-Mark-Imperium aus Verlagen, Fernsehanstalten, Kinoketten, Bauunternehmen und Werbeagenturen, Eigentümer des Fußballclubs AC Mailand, Träger des Verdienstordens "Ritter der Arbeit" und als "Il Cavaliere" hofiert, hat seit dem 13. Mai eine neue Großfirma: 300 000 Quadratkilometer Gelände, 57 Millionen Beschäftigte - Italien. Alle Warnungen heimischer Intellektueller und ausländischer Kritiker vor einer beispiellosen Machtkonzentration in den Händen des Laboratoriums-Politikers verhallten. Künftig wird der reichste Mann des Landes auch dessen Regierung führen und über die von ihm gegründete Partei Forza Italia das Parlament dominieren. Das private Fernsehen hört längst auf das Kommando Berlusconis. Nun fällt ihm auch das Staatsfernsehen zu. Berlusconis Imperium (Stand: 2001). Quelle: The Economist Die demokratische Gewaltenteilung, bringt der "Spiegel" die Kritik auf den Punkt, "wird in Italien damit gefährdet." Zumal der künftige Regierungschef bereits angekündigt habe, dass er auch die unbotmäßige Justiz zähmen wolle. Der "Spiegel" weiter: Selbst ein Heiliger käme bei dieser Anhäufung von Macht in Versuchung, Berlusconi aber ist ein Sünder mit einer langen Liste von Verfehlungen, der Italien und Europa in Bewunderer und Ankläger teilt. Einer mit dem Geruch von Macht und Geld -- ein unheimlicher Milliardär.
1993 hatte Berlusconi die neue "Partei" Forza Italia -- sie war anfangs vor allem die Fortsetzung eines Fussballvereins mit anderen Mitteln -- regelrecht aus dem Boden gestampft. PR-Strategen seiner Werbegesellschaft Publitalia '80 mit ihrem weit verzweigten Filial-und Vertreternetz zogen überall im Land Forza-Italia-Clubs auf. Der Wahlkampf war geplant wie für Waschpulver oder Seife -- die Kreierung eines Image war wichtiger als die Inhalte. Seine Fernsehkanäle sendeten damals nur noch ein Hauptprogramm -- und das hieß Berlusconi. Damals wurde das Rechtsbündnis "Polo della liberta" zusammen mit der ihre Wurzeln in Duces Faschistenbewegung nicht verheimlichenden Alleanza Nazionale sowie der separatistischen Lega Nord aus der Taufe gehoben. Es verhalf dem politischen Neuling zur Macht im Staat. Kaum im Amt, zog die Berlusconi-Truppe gegen die Mailänder Richter ins Gefecht, die sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hatten. Doch dabei unterlief der Regierung ein Fehler: Ihr "decreto Biondi", benannt nach Justizminister Alfredo Biondi, wurde vom Volksmund in "decreto salva ladri" umgetauft, in den "Rettungserlass für Diebe". Bestechung und Erpressung wurden im der mit heißer Nadel gestrickten und Berlusconi selbst nützenden Verordnung zu geringfügigen Vergehen herabgestuft. Doch als die Italienier auf ihren Bildschirmen 156 Personen aus der Untersuchungshaft davonziehen sahen -- darunter viele Mafiosi und ein früherer Minister --, erweckte das den Zorn des Volkes. Als angesichts angekündigter Rentenkürzungen und Lohnstreitigkeiten im November halb Italien auf der Straße demonstrierte und die Regierung mit Protestschreiben eindeckte, wurde nicht nur das Dekret zurückgezogen. Berlusconi selbst fand keinen Halt mehr bei seinen Genossen -- vor allem der Lega-Nord-Führer Umberto Bossi wandte sich von ihm ab -- und musste im Dezember kurz vor Weihnachten zurücktreten. |
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Multimediale Bühne -- wie Berlusconi seine Medien im Wahlkampf 1994 instrumentalisierte
Am 26. Januar 1994 gab der talienische Großunternehmer Silvio Berlusconi offiziell seinen Einstieg in das Rennen um die Parlamentswahlen bekannt. Zuvor war ein Sturm der Enthüllungen von Korruption, Amtsmißbrauch und Verstrickung zwischen Politik und Mafia -- losgelöst von Mailänder Richtern ("Mani pulite" -- "die sauberen Hände") über das ganze Land gebraust und hatte fast die gesamte alte Politikergarde bis hin zu den Spitzenmännern Bettino Craxi und Giulio Andreotti hinweggefegt. Hinter der Entscheidung Berlusconis verbarg sich jede Menge Zündstoff: Schickte sich doch erstmals in der modernen Geschichte Europas ein Konzernchef an, der nicht nur die halbe Fernsehlandschaft, den größten Verlag und die mächtigste Werbeagentur Italiens kontrolliert, sondern auch Kaufhäuser, Versicherungen und Baufirmen sein eigen nennt, mit Hilfe seiner ganzen Medien- und Wirtschaftsmacht nun auch die politische Macht Italiens zu erobern.
Vor allem seine Werbeagentur war Berlusconi behilflich gewesen, das neue "Produkt der Fininvest -- so der Name der von ihm kontrollierten Unternehmensgruppe mit dem Hauptkern des Mediaset-Konglomerats -- zu vermarkten. Ungekannte Ausmaße nahmen dabei auch der gezielte Einsatz der Demoskopie, mit der die Wünsche und Ängste der Italiener genauestens erforscht wurden, und die Vermischung von Werbung, Public Relations und Programmteil in den drei Privatkanälen Berlusconis an. Die Sales Promotion musste sich dahinter allerdings nicht verstecken: Wie ein Netz hatte der immer lächelnde Medienmann seine "Wahlclubs über das Land verteilt und so die Begeisterten und zu Begeisternden unter dem Parteinamen Forza Italia gesammelt, der zugleich den Slogan und den Schlachtruf seiner "Fans darstellte (vgl. Krempl 1996, 7f). Trotz seiner Verstrickungen gelang es Berlusconi
1994 -- wie erneut im Wahlkampf 2001 -- das Image
eines kaum antastbaren Sauber- und Strahlemanns medial
zu vermitteln. Er erwies sich dabei
als fast perfekter Schauspieler, der zwischen zahlreichen
Rollen hin- und her wechseln kann. Ein paar Beispiele
(vgl. ebd. 116-126): |
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Die Geschichte wiederholt sich
Als die "Zeit" (32/2001) nach 50 Tagen der neuen Regierung Berlusconis im August 2001 ein erstes Resümee der zweiten "neuen" italienischen "Ära" zog, fiel die Bilanz erneut nicht sonderlich positiv für den Ministerpräsidenten aus. Vor allem erinnert die Beschreibung frappant an die Geschehnisse im Jahr 1994. In dieser Zeit hat er folgende Bauelemente des neuen Italiens errichtet: ein Gesetz, das die Erbschaftsteuer abschafft (größter Nutznießer ist der reichste Mann Italiens, Berlusconi); einen Gesetzesvorschlag, der die Fälschung von Bilanzen nicht mehr als strafrechtlich verfolgbaren Tatbestand betrachtet (Berlusconi war wegen Bilanzfälschung verurteilt worden); einen Gesetzentwurf, der illegale Immigration in Italien zur Straftat macht, bedroht mit vier Jahren Gefängnis (eine Initiative der xenophoben Regierungspartei Lega Nord); einen weiteren Gesetzesvorschlag, der der Polizei mehr Autonomie gegenüber der Justiz einräumt (Berlusconi hatte die Untersuchungsrichter, die gegen ihn ermittelten, immer als politisch motivierte Täter dargestellt). Vor allem bei dem von Berlusconi eingefädelten neuen Bilanzgesetz werden sofort Gedanken an das "Dekret der Diebe" wach. Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt ein Land gibt, in dem die Parlamentsmehrheit Maßnahmen ergreifen kann, mit denen sich die strafrechtlichen Probleme des Ministerpräsidenten lösen lassen. Pierluigi Castagnetti vom italienischen Mitte-links-Parteienbündnis "Margherita" (Financial Times Deutschland vom 6.8.2001) Allerdings scheint Berlusconi aus dem damaligen Debakel gelernt zu haben: Vorsichtiger ging Berlusconi dieses Mal beispielsweise beim Umbau der öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft vor. Auf keinen Fall will Berlusconi eine Wiederholung der Diskussionen aus dem Jahr 1994, seinem ersten Regierungsversuch. Damals hatte die Parteienkoalition aus seinem Politclub Forza Italia (FI), der Lega Nord unter Umberto Bossi und der rechtsgerichteten Nationalen Allianz (AN) zunächst die Verwaltungsspitze des Senders ausgewechselt, die daraufhin alle Programmdirektoren und Chefredakteure der drei RAI-Kanäle feuerte. Als das Werk vollbracht war, kam es zu heftigen Protesten: Journalisten streikten, Kritiker stellten die Meinungsfreiheit in Frage .Damals gab Berlusconi den Ahnungslosen: "Ich habe mich jeder Einmischung enthalten", behauptete er. Doch das nahm ihm niemand ab. Christiane Kohl: Berlusconi will kein Blut sehen. SZ 30.5.2001
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