Mythos Online-Lernen

Stefan Krempl

Die Verheißungen des Telelearnings

Entwicklung eines neuen Lehr- und Lernideals: multimediales, virtuelles Lernen bzw. Hyperlearnings (Perelman 1993).

Aufbauend auf der jahrhundertealten Tradition des Fernstudiums, der Distance Education bzw. des Distance Learnings.

Versuch, mit Hilfe von Medien und Technologien die Distanz zwischen Lehrer und Lernendem zu überbrücken.

At its most basic level, distance education takes place when a teacher and student(s) are separated by physical distance, and technology (i.e., voice, video, data, and print) [...] is used to bridge the instructional gap.

Engineering Outreach Staff der University of Idaho

Anfangs als reine Ersatzform der Unterrichtung angesehen, da Teilhabe am "sozialen Erlebnis Lernen" nicht möglich.

Heute bringen neue Interaktionsmöglichkeiten über das Internet eine Aufwertung der Distance Education mit sich:

  • Unterrichtsmaterial läßt sich z.B. in Form von "Tutorials", aufeinander aufbauenden Lernmodulen oder Dokumentationseinheiten für das World Wide Web multimedial aufbereiten, über Hyperlinks verknüpfen und mit weiterführenden Links zu ergänzenden Informationsangeboten im Web versehen.

  • Über E-Mail kann der Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden aufrechterhalten und intensiviert werden.

  • Newsgroups oder Mailinglisten können als virtuelle Diskussionsplattformen dienen, die zudem den Vorteil haben, daß sich keiner der am Lernprozeß Beteiligten hinter besonders eifrigen "Wortmeldern" verstecken kann, und längere Zeit für die Reflexion von Diskussionsbeiträgen bleibt.

  • Über Softwarelösungen, die mehreren Teilnehmern das Bearbeiten von Dokumenten am Computer erlauben (Groupware- bzw. Shared-Editing-Systeme), lässt sich die Kooperation in räumlich (und zeitlich) getrennten Lerngruppen, also virtuelles Teamwork, gestalten.

  • Software-Agenten, die in ihrer über ein gewisses Maß an "Aufmerksamkeit", "initiativem und autonomem Verhalten" sowie einem "historischen Bewußtsein", also einer Art "Lernfähigkeit" verfügen (vgl. van de Velde 1997), können für die Sammlung und Bereitstellung von Informationen aus dem Netz oder sogar als "persönliche Führer, Begleiter und Repräsentanten" von Studenten eingesetzt werden (vgl. z.B. ein Pilotprojekt aus Zürich)

 

Diese asynchronen Unterrichtsformen gewähren Lehrenden wie Lernenden ein hohes Maß an Freiheit und Selbstbestimmung

Flexibilisierung des Lehr- und Lernvorgangs.

Daneben kann auch der Einsatz synchroner Instruktionsmedien zum Einsatz kommen, die das "Treffen" aller oder zumindest mehrerer Beteiligten im virtuellen Kommunikationsraum zu einer bestimmten Zeit voraussetzen:

  • Chats lassen sich für das Treffen von Absprachen, informelle Plaudereien sowie bedingt auch für Diskussionen nutzen.

  • Videokonferenzsysteme erlauben die multimediale Übertragung von Unterrichtseinheiten, die Einbeziehung von räumlich entfernten Experten oder die "virtuelle audiovisuelle Sprechstunde" des Dozenten

  • Mit Hilfe von 3D-Lösungen lassen sich komplexe räumliche Lernwelten im Netz einrichten. Bsp: Schülercommunity Learnetix

Das Teleteaching bietet so zumindest theoretisch attraktive Möglichkeiten: Chancen tun sich vor allem im Bereich der Information (Recherchieren, Dokumentieren), aber auch der Kommunikation (Interagieren, Kooperieren) sowie der Kognition (Simulieren, Visualisieren, Animieren, Verknüpfen) auf (vgl. Krempl/Schröder 1996).

Das hypertextbasierte World Wide Web scheint zusätzlich Lernvorgänge durch das strukturelle Merkmale der Verlinkung zu unterstützen. Zumindest geht man in der konstruktivistischen und kognitionspsychologischen Forschung davon aus, daß im menschlichen Gehirn neues Wissen über Verknüpfungen mit bereits vorhandenen Erkenntnissen in so genannten cognitive maps entsteht.

Neues Wissen aufnehmen bedeutet, neue Verknüpfungen zwischen schon Bekanntem zu entdecken oder gezeigt zu bekommen.

Kuhlen 1991, 101

 


 Die Universität der nächsten Generation als "Startup"?

Immer mehr Hochschulen wollen den Cyberspace -- und die Börsen -- mit virtuellen Ablegern stürmen.

1996/7: "Outsorcing" der privatwirtschaftlich geführten Einrichtung OnlineLearning.net von University of California Los Angeles

1998: New York University gründet kommerzielles Online-Learning-Center

1999: Das Startup Unext.com sorgt mit den Plänen, über ihre virtuelle "Cardean University" qualitativ hochwertige Business-Kurse sowie einen kompletten MBA-Studiengang anzubieten, für Schlagzeilen. Kooperationen mit führenden Hochschulen wie der Carneggie Mellon University, der Columbia University, der London School of Economics, der Stanford University sowie der University of Chicago. Die beteiligten Universitäten rechnen damit, in den nächsten fünf bis acht Jahren jeweils rund 20 Millionen Dollar Gewinn über ihre Beteiligungen einzufahren.

The ability to deliver college and professional certification courses over the Internet is generating an almost breathless rush to the medium, sometimes bringing together for-profit and traditional schools.

Richard Melcher in Business Week vom 11.1.1999

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