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Geht es um Hightech, wirtschaftlichen Erfolg oder Innovation, kommt man am Silicon Valley nicht vorbei. Gefeiert wird "das Valley", wie es von seinen Bewohnern, "Bearbeitern" oder Beschreibern nur genannt wird, in unzähligen Zeitungsartikeln, Büchern und seit kurzem sogar in den ersten Fernseh- und Kinofilmen häufig als "Hauptstadt der Neuen Wirtschaft" (Spiegel reporter 11/2000, 108) oder als "capital of the digital age" (USA Today 16.11.2000). Was das Valley berühmt gemacht hat, sind zum einen eine Reihe technologischer Erfindungen oder Weiterentwicklungen vor allem im Bereich der Computerindustrie ("Chips" aus Silizium, die dem Tal auch seinen Namen gaben). Dem Boom der im Valley entwickelten Technologien verdankt die Gegend zudem ihren außerordentlichen Reichtum. John Doerr, als Partner bei Kleiner Perkins Caufield & Byers einer der wichtigsten Venture-Kapitalisten in der Region, bezeichnete die Maschinerie des Valley einmal als largest legal creation of wealth in the history of the planet (vgl. The Economist, 7.10.2000). Bekanntester Neureicher des Tals ist Larry Ellison, Chef der Firma Oracle, der inzwischen Bill Gates starke Konkurrenz macht und der zweitreichste Mann der Welt ist. Da das Valley auch eine Art Aktien-Kommunismus durch die Beteiligung von Firmenmitarbeitern über Stock Options an "ihren" Unternehmen eingeführt hat, ist die Zahl der Milliardäre und Millionäre unübertroffen. Allein im Santa Clara County, einem der größten Landkreise am südlichen Ende des Valleys, leben "13 billionaires worth a combined $45 billion, several hundred worth $25 million or more each, 17,000 worth more than $1 million each, excluding the value of their home" (Business Week 27.3.2000, 112). Foto: Business Week Das Silicon Valley ist aber auch bekannt für seine Arbeitskultur, die sich am besten vielleicht in den Dilbert-Comics wiederspiegelt. Legendär sind die "Cubicles", kleine Verschläge in den gigantischen Großraumbüros, die sich die Angestellten oft in mühevoller Kleinarbeit liebevoll einrichten, um sich einen Rest Privatsphäre zu bewahren. Zur Zierde, zum Gebrauch oder fürs Entertainment wird alles angeschleppt, was ins erste Stockwerk transportierbar ist: Zimmerpalmen verwandeln die "eigenen vier Wände" in Dschungel, ausrangierte Videospielautomaten in Spielhöllen. Vom Skelett bis zum Plüschmonster auf den Bildschirm: Alles wirkt sehr heimelig und teilweise liebevoll dekoriert - ist aber nicht verwunderlich, da die meisten "Yahooligans" mehr Zeit im Büro als sonstwo verbringen. Der Arbeitsplatz wird zum Zuhause, nur geschlafen wird ab und zu woanders. "Einen Acht-Stundentag gibt es hier nicht", berichtet Monika. Das Gebäude sei für die Mitarbeiter sieben Tage die Woche 24 Stunden lang zugänglich, es bleibe einem selbst überlassen, wann man seine Projekte erledigt. Stefan Krempl: Inside Yahoo!! Spiegel Online 6. Oktober 1998 Neben den Cubicles sind die Ingenieure, Techies, Nerds und Geeks im Valley für ihre "protestantische" Arbeitsethik bekannt: Im Silicon Valley wird anders gearbeitet: länger, härter, schneller. Und weil hier anders gearbeitet wird, wird hier anders gelebt: Krawatten runter, Ärmel rauf; jedes Essen ein Geschäftsessen; immer online, schon Kinder basteln an der eigenen Homepage. Und weil hier anders gelebt wird, wird anders gedacht: unideologisch, apolitisch, antistaatlich -- bloß keine Subventionen. Uwe Buse: Deutsche Pioniere im Silicon Valley. Spiegel reporter 11/2000, 111f Groß und berühmt gemacht hat das Valley außerdem die Idee des Venture-Kapitals. "Risikofreude" oder der "ständige Drang nach Veränderung" (WiWo 30/2000, 104) gehören generell zu den immer wieder beschworenen Eigenschaften der "Entrepreneure" in der Bay Area. Um neue Ideen zu verwirklichen und das damit verbundene Risiko handhabbar zu machen, hat sich vor allem rund um die berühmt-berüchtigte Sand Hill Road unweit der Stanford University eine ganze Industrie von Wagniskapitalgebern angesiedelt, die in den letzten Jahen ständig mehr Geld ausgespuckt hat. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres erhielten rund 400 Firmen im Silicon Valley fast sieben Milliarden Dollar Risikokapital (vgl. WiWo 45/2000, 194). Risikokapitalfonds sind die Motoren des Tals. Sie bringen das Geld der Investoren und die Ideen der Firmengründer zusammen und hoffen, dass sich das Geld mit einem Knall vervielfacht. Legendär ist der Erfog der Fondsmanager von Benchmark. Sie investierten 6,7 Millionen Dollar in das Online-Auktionshaus Ebay, brachten es an die Börse und verwandelten ihre 6,7 Millionen in 400 Millionen Dollar. Uwe Buse: Deutsche Pioniere im Silicon Valley. Spiegel reporter 11/2000, 109 Im Silicon Valley haben so seit Jahren Größen aus der Computerbranche (anfangs vor allem Hardware-, seit einem guten Jahrzehnt vor allem Software- und seit 1994 Internetfirmen) wie Hewlett Packard, Apple, Intel, Netscape, Sun oder Yahoo ihren Stammsitz. Arbeiter akquirieren sie aus aller Herren Länder, vor Ort dienen die Universitäten Stanford (Privatuni) sowie Berkeley (kalifornische Staatsuni) als Talentschmieden. Doch während die Firmen im Valley ständig weiter wachsen, machen sich Mitarbeiter immer wieder selbständig und gründen eigene Startups. Ingesamt ist daher die Suche nach Mitarbeitern eines der größten Probleme im Valley und die Unternehmen lassen sich einiges einfallen (von Stock Options bis zu großzügigen "Benefits" oder exquisiten Sportanlagen und Schwimmhallen), um ihre Leute eventuell doch noch zu halten. In den vergangenen sieben Jahren wanderten über 250 000 Männer und Frauen ein ins Silicon Valley, aber das reicht nicht, um den Arbeitskräftemangel zu beheben. Denn für viele ist das Leben als Angestellter nur eine unangenehme Zwischenstation auf dem Weg zur eigenen Firma. Außerhalb des Tals mögen Firmen noch die Biographie eines Menschen prägen. Im Tal nomadisieren Mitarbeiter nach eineinhalb Jahren von einem Arbeitgeber zum nächsten oder begeben sich als Firmengründer selbst auf die Menschenjagd. Uwe Buse: Deutsche Pioniere im Silicon Valley. Spiegel reporter 11/2000, 108 Just like in LA, where everyone has a screenplay, in Silicon Valley everyone has a business idea. Or a business proposition. Or a "value proposition". It's their little secret. Jo Bronson: Gen Equity. Wired 7.07 Der Boom hat natürlich auch seine Schattenseiten. The physical and social infrastructure of the Valley is near the limit. Traffic is worse than ever. Drivers lose more than 30,000 hours daily to delayswhich costs a fortune, given that the median wage in the area is more than $80,000 a year. Even highly paid engineers are forced to commute because they can no longer afford to live near their jobs. The median price of a single-family home in Santa Clara County, the Valleys main district, is now a jaw-dropping $600,000. The Economist: A Squeeze in the Valley. Oct 7th 2000 Auch die Einbrüche der Aktienbewertungen von Dotcoms, die nach dem Chip-, PC-, und Software-Boom dem Valley in den letzten Jahren einen neuen Goldrausch beschert hatten, hinterlassen ihre Spuren. Doch trotz aller "Silicon Somethings", die weltweit entstehen und das Valley als großes Vorbild haben, ist der Reiz der Hightech-Gegend für viele ungebrochen. Und Firmen, die nicht hinziehen, versuchen wenigstens immer wieder die Trends aus dem Valley aufzunehmen. There are other successful high-tech clusters now. But more than ever, the Valley is a must location for technology firms of any size. When being first to market is often more important than having the best product, tech firms want to be where the most skilled talent and the best business networks are. The Economist: A Squeeze in the Valley. Oct 7th 2000 Wer Experten und Kapital braucht, zieht sein Start-up dort hoch,
wo die kritische Masse an Geld und Talent sitzt: zwischen San
Jose und San Rafael. Selbst horrende Mieten, stundenlange Pendlerstaus
und Naturkatastrophen halten Ingenieure und Programmierer bisher
nicht davon ab, in die Bay Area zu ziehen. Bezeichnenderweise spielen der reale Ort und die "location" just im Zeitalter des Cyberspace anscheinend nach wie vor eine maßgebliche Rolle für die Firmenentwicklung. The physical proximity, and the opportunity for informal interactions, thats what makes the Valley different. Here, everybodys constantly bumping into one another. Its what I imagine the alleyways of Venice were like, circa 1500 -- you cant go to the market without bumping into someone you know or might want to do business with." Paul Saffo, longtime Valley resident and research fellow at the Institute for the Future, zitiert nach: Matthew Broersma, ZDNet News 4.11.1998 |
Das Valley gestern, heute -- und morgen? Das Silicon Valley, dessen inoffiziellen Namen ein Journalist
1971 erfunden hat, erstreckt sich zwischen San Francisco im Norden
und San Jose im Süden. Begünstigt durch die Nähe zur Stanford
University, hatte sich hier schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts
die Elektronikindustrie angesiedelt. Hier wurde 1911/13 der erste
Röhrenverstärker entwickelt. Hier gründeten 1939 Bill Hewlett
und David Packard die Firma HP.
Doch Hewlett and Packard waren
Dinosaurier. Sie produzierten Hardware. Danach kam die Software,
und heute sind wir soweit, daß die größten Profite mit dem erzielt
werden, was weder hard noch soft, sondern noch gar nicht vorhanden
ist.
Woodside ist sozusagen das Beverly Hills des Valleys. Hier
haben die Häuser eine Wohnfläche von 728 Quadratmetern, die Garage
für zwanzig Autos nicht eingerechnet. Hier leben die Silicon Boys,
und sie leben nicht schlecht
Im Grunde ist der Computerboom
der letzten dreißig Jahre aber doch nicht so singulär, wie man
meinen könnte. In Kalifornien ist man dergleichen gewohnt. Der
Goldrausch von 1848/49 trug ähnliche Züge.
Der Gold- hat mit
dem Siliziumrausch gemein, daß viel Zufall im Spiel ist. Es reicht
nicht, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, aber es hilft.
Und reich werden in der Regel nicht die, die die Arbeit machen,
sondern die, die diese übers Ohr hauen. |
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