Die zweite Gründerwelle rollt.

Interview mit Deutschlands Vorzeigegründer Oliver Samwer

Oliver Samwer produzierte im vergangenen Jahr zusammen mit seinen Brüdern Alexander und Marc Deutschlands erste große Startup-Erfolgsgeschichte: Anfang 1999 gründeten die drei Samwer-Brothers die Auktionsplattform Alando.de. 100 Tage später kaufte das kalifornische Unternehmen eBay die sich gerade aus den Windeln schälende Berliner Firma auf und machte die Gründer zu Millionären. Jetzt wollen es die Jungunternehmer noch einmal wissen: Im Frühsommer haben sie eBay den Rücken gekehrt und nach ein paar Monaten hektischer Planung vor kurzem Jamba in die Welt gesetzt, ein Portal für das mobile Internet. Auch starke Partner aus der Old Economy konnten die Samwers für ihr neues Baby begeistern: debitel, die Media-Saturn Holding und die ElectronicPartner-Verbundgruppe sind bereits bei Jamba eingestiegen. Das Startkapital der Firma beträgt 54 Millionen Mark.


Es ist wieder Kreuzberg, wieder eine Fabriketage, wieder ein Startup ­ ist das alles deja vu für Sie?

Nachdem wir Alando/eBay verlassen hatten und im August mit Jamba starteten, ging eigentlich alles wieder von vorne los. Man muss sich um ein Büro kümmern, dafür sorgen, dass auch Tische drin stehen. Wir hatten anfangs keine Email-Accounts, mussten einen Namen finden, am Produkt arbeiten. Die schrecklichste Zeit für einen Startup-Unternehmer ist ja, wenn er noch keine Seite draußen im Web hat. Denn jetzt nach dem Start denkt man, boh, wir können dies oder das noch verbessern. Doch davor kreisen die Gedanken nur darum, wann endlich die Seite kommt.


Macht Ihnen das Gründen überhaupt noch Spaß?

Uns freut am meisten, dass wir dieses Mal auf eine Ebene gegangen sind, wo nicht Amerika vorne liegt. Bei Alando hatte man uns ja mehr oder weniger vorgeworfen, dass wir nicht besonders visionär gewesen seien. Jetzt machen wir etwas, wo Europa in der Welt eine Riesenchance hat, wo wir als eines der ersten Unternehmen vorne dabei sein wollen. Eines der besten Portale für das mobile Internet soll es hier in Berlin geben, vielleicht noch eins in Finnland und eines in Italien. Aber die USA liegen in diesem Bereich noch Jahre zurück.


Hätten Sie ein so gut positioniertes Startup wie Jamba auch ohne Ihren Erfolg mit Alando entwickeln können?

Große Old-Economy-Partner wie MediaSaturn, die 12 Milliarden Mark Umsatz machen, wie die debitel als ein Vier-Milliarden-Unternehmen sowie die größte Elektronikfachkette Europas ­ solche Konzerne wollen immer Track-Records, wollen Erfolge sehen. Diese besondere Konstellation, auf die wir absolut setzen, um auch in fünf oder sechs Jahren am Markt zu sein, wenn nicht mehr jeder Venture Capitalist alles unterstützt, hätten wir ohne unser erstes Startup sicher nicht hinbekommen.


Welche Idee steckt konkret hinter Jamba? Wie wollen Sie Geld verdienen?

Ein mobiles Internet-Portal ist die Startseite auf dem Handy. Dort kann ich auswählen, welche Schlagzeilen, Börsennachrichten, Spiele, Klingeltöne, Musik oder Kinonews ich haben möchte. Aufgrund der Ortung des Handys im Mobilfunknetz werde ich auch direkt hingeführt zum nächsten Kino oder Theater. Wir arbeiten dazu zusammen mit zahlreichen Partnern wie MTV, Cinemaxx, TUI, TV Movie, Focus oder Handelsblatt zusammen. Ganz wichtig ist, dass wir dazu Kanäle nutzen, mit denen wir schon heute vor der Einführung von GPRS und UMTS 98 Prozent der Nutzer erreichen, nämlich SMS. So kann man auf unserer normalen Webseite beispielsweise auswählen, welcher Film mich interessiert, und dann werde ich kurz vor dem Start noch einmal benachrichtigt. Generell kann ich über das Webangebot einstellen, dass ich etwa ein Entertainment-Freak bin und eigentlich nur MTV-News haben möchte. Oder dass ich ein Börsen-Heini bin und mich nur Finanzgeschichten interessieren. Die personalisierten Nachrichten kann ich mir dann sowohl aufs Handy, als auch auf Handheld-Computer wie den Palm Pilot schicken lassen.

Geld verdienen wir zunächst über Werbung, über Mobile Advertisement. Auf unserer Website gibt es so genannte Interstitials, kurze Unterbrechungen, wo man ein Produkt sieht. Mittelfristig setzen wir auf Einnahmen über Sponsoring, also darüber, ob wir Amazon.de, BOL.de oder etwa Booxtra ganz oben auf dem Portal haben. Der zweite Bereich ist Mobile Entertainment. Der wird bedeutsam, wenn mit den neuen Mobilfunktechniken nicht mehr Zeit-abhängig abgerechnet wird, sondern beispielsweise pro Spiel. Einmal Snake kostet dann eben 10 Pfennig und wird über die Telefonrechnung abgerechnet. Drittens setzen wir auf Mobile Commerce. Das fängt dann an, wenn ich mir übers Handy nicht nur die Filmkritik anschaue und das Kinoticket reserviere, sondern es auch gleich kaufen kann. Da erhalten wir eine Provision. Dasselbe gilt im Brokerage-Sektor, wenn wir beispielsweise an Consors einen Kunden weiterleiten und dann auch bei jeder Transaktion eine Umsatzbeteiligung einbehalten. Das letzte ist Mobile Payment, wo wir verschiedene Kooperationen mit Zahlungsanbietern und Banken haben und dabei helfen, dass man auch von Handy zu Handy Geld überweisen oder bei jedem Einkauf per Handy bezahlen kann.


Was versprechen sich Ihre Old-Economy-Partner von ihren Investitionen in Jamba?

Unsere Partner sind maßgeblich beteiligt an der Firma, sie sollen letztlich über Dreiviertel dieser Company halten. Sie erhöhen für sich vor allem den Wert einer Kundenbeziehung. Heute bekommt zum Beispiel ein MediaMarkt von mir aus 75 Mark von der Telekom, wenn er einen PC mit T-Online an Bord verkauft. Doch den Kunden damit quasi an der Tür abzugeben, ist nicht das Richtige. Deswegen wollen unsere Elektronikpartner von der Wertsteigerung unserer gemeinsamen Firma profitieren. Ähnlich ist es bei debitel, die eben nicht mehr nur übers Telefon verdienen will, sondern auch am mobilen Content.


Zusammen mit Ihren Brüdern und drei weiteren Gründern waren Sie während der Alando-Zeit die erste "Boygroup" in der Startup-Szene Deutschlands. Sehen Sie sich heute wieder als Schrittmacher?

Allein in den letzten vier Wochen haben wir zwölf Kooperationen mit anderen Startups geschlossen, die alle in den Bereich Mobile Internet wollen. Als Portal können wir da einige Kräfte zentrieren. In diesem Markt gibt es ja noch kaum Startups, eher sind T-Mobil oder Mannesmann unsere Konkurrenten, die auch eigene Portale aufbauen. Mit den über sechs Millionen debitel-Kunden sind wir da von vornherein da die drittgrößte Startseite, wenn wir alle Handys zählen, auf denen Jamba vorinstalliert wird. Wir wollen daher die Konvergenz im gesamten Sektor Wireless vorantreiben und ein Thema bekannt machen, bei dem Europa eine Führungsrolle einnehmen kann.


Sie haben für Jamba ein paar Millionen bei eBay liegen lassen. Lag das nur an Ihrem Gründergeist oder gab es Differenzen mit dem amerikanischen Management der Mutterfirma?

Ich habe den eBay-Gründer Pierre Omidyar kürzlich noch an ein anderes Berliner Startup weiter vermittelt, wo er als Startfinanzier auftritt. Das mit den Konflikten ist eine ganz klare Erfindung der Presse. Natürlich haben sich die Anforderungen bei eBay.de verändert, und für uns war damit eine Zeit gekommen, wo wir den Gründergeist wieder stärker spürten. Pierre Omidyar hat das ja auch gemacht, er hat das Management nach kurzer Zeit an Meg Whitman weitergegeben. Bei uns war es der Wunsch etwas Neues zu machen gekoppelt mit unserem Selbstverständnis als Gründer. Wir sind eigentlich Manager nur bis zu einer gewissen Stufe. Weil bei Jamba der Punkt Vision aber noch sehr stark ist, haben wir uns jetzt erst einmal mit allen Partnern zusammen bis zum 31.12.2006 "verpflichtet". Die Einführung von UMTS kann sich schließlich verzögern, und die wollen wir auf jeden Fall noch begleiten. Wir haben Jamba auch von Anfang an als internationales Unternehmen angelegt, sind heute schon mit allen Diensten komplett in Holland präsent und wollen dieses Mal wirklich wachsen. Meine erste Firma war eine echte Pantoffelfirma, mit der wir Pantoffeln in Chile verkauft haben. Das zweite war Alando. Jetzt kommt Jamba und damit verbunden der Wunsch, alles noch etwas spannender, internationaler und größer zu machen.


Mit dem raschen Erfolg von Alando waren Sie und Ihre Brüder auch Vorbild für viele andere Gründer im vergangenen Jahr. Ist damit wirklich eine neue Gründerzeit in Deutschland entstanden?

Die Startup-Gründungen gehen mit der Konjunktur immer rauf und runter. Im Moment sind wir in einem Stadium, wo wir den absoluten Boom im Bereich des so genannten "Fixed Internet", das sich nur über den PC erreichen lässt, hatten, wo quasi alles finanziert wurde, wo jeder sicher gehen konnte, bis zum Börsengang mit Wagniskapital versorgt zu werden. Das ist heute nicht mehr der Punkt. Man bekommt zwar noch relativ einfach eine Startfinanzierung, aber nicht mehr alle Konzepte werden von den Investoren "durchgezogen". Trotzdem haben wir jetzt zum ersten Mal in Deutschland eine New-Economy-Generation. Als wir 1999 anfingen, da kriegten wir keine Leute für unser Team, die schon ein Jahr beim Verbraucherportal dooyoo oder bei Webmiles gearbeitet hatten. Damals hatte keiner eine Ahnung, wie man einen großen Deal mit AOL oder wem auch immer hinbekommt. Jetzt haben wir diese Leute. Und genauso wie im Silicon Valley, wo es eine zweite Gründerwelle angetrieben von all denen gab, die bereits erfolgreich bei einem Startup gearbeitet haben, erleben wir etwas Ähnliches jetzt auch in Deutschland. Von der Anzahl der Startups wird diese zweite Welle vielleicht nicht so hoch sein wie im vergangenen Jahr. Aber von der Qualität her wird sich einiges verbessern. Und gerade das Thema Wireless wird im nächsten Jahr das große Thema, nachdem die Presse jetzt erst mal Wap kaputt geschrieben hat. Aber man darf eben nicht gleich den ganzen Mobilfunksektor damit abschreiben, weil viel von den Übertragungstechniken abhängt. Im Sommer nächsten Jahres werden dafür Geräte in ausreichender Stückzahl zur Verfügung stehen, so dass es eine Wireless-Welle in Deutschland geben wird. Wir haben 1999 vor allem die Idee in die Köpfe der Leute gesetzt, "ach, es gibt auch noch etwas Eigenes zu machen". Und bei vielen meiner Freunde ist das immer noch so, auch wenn man jetzt ein-, zweimal mehr über das Geschäftsmodell nachdenkt.

Die Fragen stellte Stefan Krempl

 
Links

Stefan Krempl: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann gründen sie noch heute. Die Samwers und ihr Portal Jamba. Telepolis 25.10.2000

Dirk Nolde: Die Samwers, Version 2.0. WebWelt 25.10.2000

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