Die Free Software Foundation Europe,
die im März
2001 als Schwester des nordamerikanischen Pendants gegründet wurde,
hat sich der Unterstützung der Freien Software in allen Bereichen verschrieben.
Eine Hauptaktivität ihres Präsidenten, des Hamburgers Georg
C. F. Greve, besteht daher in der politischen Aufklärung.
Feind der Aktivisten ist die proprietäre Software, die nicht modifizierbar
und vom Nutzer nur beschränkt kontrollierbar ist. Ihr unterstellt der
studierte Physiker Greve im Gespräch mit Computerworld einen "viralen" Charakter,
da sie zur Monopolbildung neige und die offene Netzwerkökonomie verstopfe.
Damit dreht er ein Argument von Microsoft-Führungskräften um, die
das Herzstück der Freien Software, ihre GNU General Public License,
wiederholt als "Krebs" und Krankheitserreger bezeichnet haben.
Herr Greve, auf Ihrer Homepage
verfolgen Sie die Philosophie der Freien Software bis zum Heiligen Augustinus
ins 4. Jahrhundert zurück. War
der Kirchenvater ein verkappter Code-Hacker?
Georg C. F. Greve: Nach dem,
was mir erzählt wurde, nicht unbedingt.
Doch er gab eine klare Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit Wissen.
Die Weitergabe von Wissen und Ideen durch Kommunikation gehörte schon
immer zu den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen. Angefangen bei
den ersten Höhlenmalereien und Musikinstrumenten haben Menschen danach
gestrebt, sich mitzuteilen und soziale Netze zu knüpfen. Daher auch
der Ausspruch von St. Augustinus, der (frei übersetzt) sagte: "Jede
Sache, die dadurch, dass man sie weitergibt, nicht verloren geht, wird
nicht auf richtige Weise besessen, wenn man sie nur besitzt, aber nicht
weitergibt." Das
Bemerkenswerte ist, dass hier bereits die Verlustfreiheit dieses Vorgangs
eine zentrale Komponente ist. Wissen geht durch die Weitergabe nicht verloren,
Lehrer etwa werden durch den Akt der Wissensvermittlung nicht unwissend.
Die neue Generation ist vermutlich die Erste in der Geschichte der Menschheit,
die mit dem Bild aufgewachsen ist, dass Wissen Eigentum sei, dessen Weitergabe
ihr moralisches Äquivalent in einem mit physikalischer Gewalt ausgeführten Überfall
("Raubkopie", "Piraterie") hat.
Sie weisen gern auf
Gemeinsamkeiten zwischen den Prinzipien der Freien Software und der Wissenschaft
hin. Lässt
sich diese These erhärten?
Greve: Wissenschaft beruht
auf dem methodischen Arbeiten. Neben einer Objektivierung der Erkenntnis ermöglicht es die Zusammenarbeit vieler Menschen, um
in Kooperation weiter zu kommen als jeder für sich allein. Sehr schön
hat dies Sir Isaac Newton ausgedrückt, als er sagte: "Wenn ich
etwas weiter sah als andere, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen
stand." Den Vorteil hat die gesamte Gesellschaft. Ebenso funktioniert
das Paradigma Freier Software, da es uns bewusst erlaubt, auf dem Stand der
Technik aufzubauen und dazu beizutragen. Davon profitieren hinterher alle.
Wie
erklären Sie Politikern in Bern, Berlin oder Brüssel,
denen Sie als Anwalt des offenen Source-Codes das Phänomen
der Freien Software schmackhaft machen sollen, die Vorzüge
der "Quellenarbeit"?
Die philosophische Argumentation dürfte da ja wenig bewirken.
Greve:
Im Bereich der Politik konzentrieren wir uns in der Tat zumeist
auf die betriebs- und volkswirtschaftlichen Vorteile Freier
Software,
sowie die
Gewinne an politischer Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit.
Der erste Schritt ist zu erklären, dass es bei Freier Software
eben nicht "nur
um eine Technologie" geht, sondern um ein neues Paradigma
im Umgang mit Software. Software hat sehr viel mehr Einfluss auf
die Gesellschaft,
als allgemein angenommen. Der Zugriff auf Software ist die grundlegende
Voraussetzung für wesentliche Teile unserer Wirtschaft, er
entscheidet über die
Meinungsbildung durch den Zugang zu Informationen und beeinflusst
maßgeblich
die Möglichkeiten des Einzelnen zu Bildung, Kommunikation
und Arbeit. Das macht Software zu einer Kulturtechnik und einem
Kulturgut. Bei Freier
Software geht es darum, ein neues Paradigma zu etablieren, welches
das System in Richtung auf mehr politische Unabhängigkeit,
weniger Monopole, mehr Gleichberechtigung, niedrigere Markteintrittsbarrieren,
bessere Möglichkeiten
der informationellen Selbstbestimmung und eine gestärkte Volkswirtschaft ändert.
Wie
funktioniert das Lobbying der FSF Europe konkret? Die Organisation
hat ja vermutlich nicht das Personal und die Mittel, um den
politischen Entscheidungsträgern
in Brüssel und den Nationalstaaten ständig gewiefte
Lobbyexperten auf den Schoß zu setzen?
Greve: Unsere
Mittel sind in der Tat bescheiden -- vor allem im Vergleich
mit Interessengruppen, denen an einer Ausweitung der intellektuellen
Kontrollrechte gelegen ist. Daher bemühen wir uns, an
den wichtigen Stellen Impulse zu setzen. Das kann die Teilnahme
an einer Konferenz, einer Kommission oder
auch das Schreiben eines Artikels sein. Außerdem gibt
es auch Leute innerhalb der Institutionen, die die Vorteile
Freier Software erkannt haben
und die wir mit "Munition" ausstatten. Leider ist
die Bedeutung dieser Arbeit schwer zu vermitteln, zumal sie
langsam wirkt und eine recht
hohe Frustrationstoleranz erfordert. Dabei ist sie so wichtig
wie nie zuvor, bildet sie doch das Gegengewicht zur proprietären
Software- und Medienindustrie, die dabei ist, sämtliche
Claims der Wissensgesellschaft für sich
abzustecken und dabei einen beträchtlichen Flurschaden
anrichtet. Gegen diesen Raubbau am intellektuellen Fundament
der künftigen Generationen
arbeiten wir mit dem Ziel, ein wirtschaftlich wie sozial
verträglicheres
System zu etablieren.
Warum macht sich die FSF
just so sehr für den Einzug
von Linux und Co. in die öffentlichen Verwaltungen
stark?
Greve: Das Paradigma proprietärer Software hat
eine stark monopolisierende Tendenz. Dies leitet sich davon
ab, dass üblicherweise Produkte eines
Herstellers nur mit sich selbst gut funktionieren. Sind
nun zwei Menschen darauf angewiesen, miteinander zu arbeiten
oder zu kooperieren, müssen
sie zumeist dasselbe Produkt desselben Herstellers benutzen.
Theoretisch bieten offene Standards zwar einen Ausweg.
Praktisch zeigt sich jedoch, dass
dies kaum funktioniert. Die Versuchung, offene Standards
zu "verbessern" ist
offensichtlich zu groß für proprietäre
Softwarehersteller. So ist dann nur noch die Migration
zu dessen Produkt möglich.
Der berühmte
Lock-in-Effekt?
Greve: Genau. Dieser "virale" Effekt
proprietärer Software
ist der Grund dafür, dass das proprietäre
Paradigma eine sehr stark monopolisierende Tendenz
aufweist. Besonders schwierig wird es, wenn die öffentliche
Hand auf proprietäre Software setzt, da sie schnell
Gefahr läuft,
so Monopolen Vorschub zu leisten. Bei konsequentem
Einsatz Freier Software wird dies vermieden und auch
die politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit
der Regierung gestützt. Außerdem geht davon
eine gewisse Akzeptanz aus, die speziell im Wirtschaftsumfeld
wichtig ist und es den Unternehmen
eines Landes leichter macht, mit und durch Freie Software
wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Was sehen Sie als
die Höhepunkte Ihres lobbyistischen
Schaffens an? Was haben Sie in den vergangenen
zwei Jahren seit der Gründung
der Plattform erreicht?
Greve: Seit der Gründung
der FSF Europe Anfang 2001 konnten wir bereits
einige Erfolge verbuchen. So waren wir zu Gesprächen
und Vorträgen
von Tokio bis nach Washington im Einsatz. Unsere
Teilnahme am Vorbereitungstreffen für den
Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS)
im Juli 2003 in Paris erfolgte als Teil der deutschen
Regierungsdelegation. Andere Beispiele
sind die Commission on Intellectual Property Rights
der britischen Regierung, zu deren Expertenworkshop
ich eingeladen war und die als Ergebnis den Entwicklungsländern
den Blick auf Freie Software empfahl. Auch im Rahmen
der Europäischen
Kommission waren wir aktiv. So gelang es uns etwa,
im Gebiet der Information Society Technologies
(IST) eine generelle Aussage zugunsten Freier Software
unterzubringen, die Projekten Freier Software einen
Evaluationsbonus bei
der Vergabe der Fördergelder gibt.
Ist der
Kampf gegen einen Milliardenkonzern wie Microsoft,
der stellvertretend für die Welt des geschlossenen,
proprietären
Quellcodes steht, nicht trotzdem oft frustrierend?
Greve:
Zunächst einmal kämpfen wir nicht
gegen Microsoft, auch wenn die Firma das
manchmal anders zu sehen scheint. Das Monopol,
das Microsoft
innehat, ist das zu erwartende Ergebnis eines
auf proprietärer Software
aufgebauten Systems. Wäre es nicht Microsoft,
wäre es jemand anders.
Natürlich hat der aktuelle Inhaber des
Monopols mehr zu verlieren als Andere und
wehrt sich dementsprechend heftiger, doch
ist uns
nicht daran
gelegen, ein Monopol gegen ein Anderes zu
ersetzen. Wir möchten das
System dahingehend ändern, dass es weniger
Tendenzen zur Monopolisierung gibt. Dabei
sind wir bereit, auch Microsoft auf dem Weg
zu Freier
Software
zu unterstützen -- obwohl es vermutlich
noch dauern wird, bis Microsoft diesen Schritt
unternimmt.
Die FSF Europe hat sich gegen
die Einführung
von Softwarepatenten ausgesprochen – die
Haltung der EU-Kommission und von Teilen
des Europaparlaments weist aber in die
entgegen
gesetzte
Richtung. Zeigen sich hier die Grenzen
des Lobbyings im Namen der Freien Softwareentwickler?
Greve:
Softwarepatente schaden der Freien Software
extrem, sind aber nicht eine ausschließliche
Frage der Freien Software. Tatsächlich geht
es hier eher um Belange kleiner und mittelständischer
Unternehmen. Diese mögen in Europa
den größten Teil des Bruttosozialproduktes
erwirtschaften, haben aber praktisch kaum
politisches Gewicht. Es sind vor allem
Organisationen wie die amerikanische Business
Software Alliance (BSA),
die zugunsten von Softwarepatenten arbeiten.
Dass die BSA kein einziges europäisches
Mitglied hat, macht diesen Umstand besonders
pikant. Bei einer Umfrage der Europäischen
Kommission zum Thema äußerte
sich die Mehrheit der europäischen
Unternehmen übrigens klar kritisch
zu Softwarepatenten. Die Auswerter der
Studie haben sich im Nachhinein dennoch
für Softwarepatente
ausgesprochen, nachdem die Stimmen entsprechend
des Finanzvolumens der Unternehmen gewichtet
wurden.
Wie sich schwammige Patentansprüche
gegen die Community einsetzen lassen,
zeigt der heftige Streit zwischen SCO und der
Linux-Welt.
Ist das ein Ausblick auf kommende Schlachtfelder
oder der Nachhall eines im Sterben
liegenden Softwareverständnisses?
Greve: Die SCO-Auseinandersetzung
ist der Todeskampf einer Firma, die bereits
seit
Jahren kein klares
Konzept und
keine innovative
Kraft
mehr hat. Daher
versuchen sie, mit solchen Manövern
eine Übernahme zu erreichen
oder zumindest den Aktienkurs kurzfristig
in die Höhe zu treiben. Obwohl
SCO selber Freie Software vertrieben
hat, hat das Management sie offensichtlich
nie verstanden. Insofern zeigt sich
hier, dass es nicht reicht, sich Freie
Software auf die Fahnen zu schreiben,
ohne sie auch in ihren Grundlagen zu
durchdringen. Bei SCO saß man
aller Wahrscheinlichkeit der irrigen
Ansicht auf, es handele sich bei GNU/Linux
nur um ein neues Betriebssystem.
Momentan
wird in vielen europäischen
Ländern
die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie
aus Brüssel umgesetzt. Wo
liegen hier und in der geplanten
Verschärfung
des Paragraphenwerks die Gefahren
für
die Freie Software?
Greve: Die Gefahren
der European Copyright Directive
(EUCD) sind
nicht auf Freie
Software beschränkt, treten
dort aber besonders deutlich zutage.
Die Strafbarmachung der "Umgehung
technischer Schutzmaßnahmen" bedeutet
die teilweise Umwandlung der Demokratie
in eine Technokratie. Sie erlaubt
es, Barrieren im öffentlichen
Raum zu schaffen, deren Überschreitung
strafbar ist. So hat beispielsweise
Scientology die entsprechende Gesetzgebung
in den Vereinigten Staaten, den
Digital Millennium Copyright Act
(DMCA), erfolgreich zur Zensur
eingesetzt. Ein anderes Beispiel
ist das des norwegischen
Teenagers Jon Johansen, der wegen
Verletzung des DMCA angeklagt wurde:
er hatte die Möglichkeit geschaffen,
regulär gekaufte DVDs auch
unter GNU/Linux abzuspielen. Das
eigentliche Ziel von DMCA und EUCD
ist es, die
Auseinandersetzung mit Software
selbst dann strafbar zu machen,
wenn diese völlig legal ist.
Es geht um die Implementierun eines
Digitalen Restriktionsmanagements
(DRM), von dem sich die Plattenindustrie
die Lösung ihrer internen
Strukturkrise verspricht. Erforderlich
ist dafür die totale Überwachung
des Nutzers. Das verträgt
sich naturgemäß nicht
mit Freier Software, die darauf
ausgelegt ist, dem Nutzer die Freiheit
der Kontrolle über seine
informationelle Umgebung zu geben.
Sie
haben im Februar das Fiduciary
Licence Agreement (FLA) veröffentlicht.
Was genau ist das und wer profitiert
davon?
Greve: Die Treuhänderische
Lizenzvereinbarung (FLA) erlaubt es Autoren Freier Software, die FSF Europe
oder eine andere Organisation zum Treuhänder
ihrer Rechte zu machen. Dadurch
kann die FSF Europe die langfristige juristische Wartbarkeit und Sicherheit
Freier Software gewährleisten und zudem die
Autoren vor einem Teil des
juristischen Risikos schützen. Die FSF Nordamerika
macht dies bereits seit einiger
Zeit für das GNU-Projekt und das hat
sich gerade auch im SCO-Fall
von unschätzbarem Wert erwiesen. Nicht
umsonst konzentrieren sich
alle Angriffe von SCO ausschließlich auf
den Linux-Kernel des GNU/Linux-Systems,
denn dort wurden solche Vorkehrungen nicht getroffen. Nutznießer
des FLA sind also die Autoren und Nutzer Freier Software, vor allem auch
die kommerziellen Nutzer, die auf eine entsprechende
Rechtssicherheit angewiesen
sind.
Im Dezember steht der World
Summit on the Information Society in Genf an, auf dem im internationalen
Rahmen
die Weichen
für die vernetzte Gesellschaft
gestellt werden sollen. Die
FSF Europe vertritt dabei
mit die Interessen der Netzbürger.
Haben Sie ein gutes Gefühl
oder werden sich die großen
Konzerne hier ähnlich
wie in der World Intellectual
Property Organization (WIPO)
durchsetzen?
Greve: Tatsächlich
steht dies zu befürchten.
Momentan tun viele so,
als ob der WSIS der falsche
Ort
sei, um die Rechte an der
Informationsgesellschaft
zu diskutieren. Dies solle
man lieber innerhalb der
WIPO tun, heißt
es. Dazu kommen Probleme
mit Regierungen, die sich
gegen diese Diskussion
mit dem Argument wehren,
sie
sei Aufgabe einer Menschenrechtskommission.
Dass Informationstechnologie
auch dazu eingesetzt werden
kann, bestehende
Menschrechte de facto außer
Kraft zu setzen, fällt
schnell unter den Tisch.
Was
ist nötig, um Software
als "Kulturgut" stärker
ins öffentliche
Bewusstsein zu hieven?
Greve: Zunächst
einmal ist es wichtig,
dass Menschen beginnen,
zu verstehen, wie sehr
Software bereits in das
tägliche Leben eingedrungen
ist. Im Zweifelsfall müsste
dies auch an Schulen und
Universitäten behandelt
werden. Grundkenntnisse
im Programmieren wären
hilfreich dabei, die Möglichkeiten
der Informationstechnologie
zu verstehen. Das Wissen
um grundlegende Zusammenhänge
und die Existenz bestimmter
Fragen und Gefahren dürfte
unverzichtbar sein. Teil
des Problems ist, dass
diese Fragen in den Medien üblicherweise
im Technik- oder Wissenschaftsteil
behandelt werden, obwohl
sie eher in den politischen
Teil und oder ins Feuilleton
gehören.
Kann
die freie Softwaregemeinde
heute bereits mit ausreichenden
Alternativen zur proprietären
Softwareentwicklung
aufwarten?
Greve: Ja,
alle Standardprobleme
lassen sich ebenso
gut oder sogar besser
lösen. Speziell
bei den vernetzten
Aktivitäten hat
Freie Software klar
die Nase vorn – der
größte Teil
des Internet basiert
darauf. Mittlerweile
lässt sich sagen,
dass GNU/Linux nicht
mehr schwerer zu bedienen
ist als beispielsweise
Windows. Allerdings
sollten Umsteiger
die Bereitschaft mitbringen,
sich mit etwas Neuem
auseinanderzusetzen.
Die Ausnahme bilden
im Moment noch einige
branchenspezifische
Lösungen,
die häufig auf
Windows maßgeschneidert
wurden. Doch auch hier
lassen sich in der
Praxis oft Lösungen
finden und es zeigt
sich, dass diese Lücken
zunehmend geschlossen
werden.
Monopole wie
Microsoft erleichtern
Anwendern häufig
das Arbeiten mit
dem Computer, etwa
durch
die raschere Etablierung
von Standards.
Ist das wirklich
immer
nur schlecht für
den (Dumm-)Nutzer,
der selbst mit
dem Quellcode gar
nichts
anfangen kann?
Greve:
Im professionellen
Bereich gelten
andere Kriterien
und
Maßstäbe,
doch begegnet man
dieser Frage gelegentlich
im Bereich der
Privatanwender.
Allerdings erweist
sich die Annahme
bei Licht betrachtet
als auf Sand gebaut.
Zu den wesentlichen
Eigenschaften des
proprietären
Software-Paradigmas
gehört die
Notwendigkeit von
erzwungenen Updates.
Diese erfordern
von den Nutzern
zum Teil eine wesentliche
Umstellung und
es wird oft bewusst
die Kompatibilität
zu alten Versionen
aufgegeben. Dazu
kommt, dass der
Preis für
diese scheinbare
Standardisierung
recht hoch ist
und die Frage nach
dem Sourcecode
dafür sekundär
ist. Vom gesellschaftlichen
Standpunkt zentral
ist die persönliche
informationelle
Freiheit und Selbstbestimmung
des Nutzers.
Was
entgegen Sie
Kritikern, die der FSF einen
Hang zum Dogmatismus
vorwerfen?
Wäre
es manchmal nicht
sinnvoller, statt
auf Begriffen wie "Freier
Software" statt "Open
Source" oder "GNU/Linux" herumzureiten,
pragmatischer vorzugehen?
Greve: Leider scheint es, dass
heutzutage "pragmatisch" oft als
Synonym für kurzsichtig herhalten muss. Das halte ich für problematisch.
Die Free Software Foundation hat sich immer um langfristige Perspektiven
bemüht und ist zumeist außerordentlich pragmatisch vorgegangen.
Ein gutes Beispiel ist die GNU General Public License (GPL), die meistverwandte
Lizenz Freier Software, die von der FSF herausgegeben, gewartet und geschützt
wird. Diese Lizenz ist sehr bewusst so geschrieben, dass sie die maximale
Freiheit der Mehrheit schützt -- unter der Annahme, dass manche
Menschen sich egoistisch verhalten. Sie funktioniert ausgezeichnet in einer
rein pragmatischen Welt. Deswegen setzen sie Unternehmen wie IBM ein. Was
die Begriff angeht, so zeigt die Erfahrung, dass diese die Art und Weise
beeinflussen, wie Menschen denken. "Open Source" wurde 1998 als
Marketingbegriff für Freie Software vorgeschlagen. Die Erfahrung hat
jedoch gezeigt, dass er speziell bei Nicht-Entwicklern den wahren Inhalt,
die Freiheit, nicht vermittelt. Dazu kommt, dass der Begriff sich als anfällig
für Missbrauch und inflationäre Verwendung erwiesen hat. Pragmatismus
kann auch bedeuten, einen Marketingversuch aufzugeben, wenn klar wird,
dass er mehr schadet als nutzt.